Mit dem vorliegenden Referentenentwurf zum Kohleausstiegsgesetz wird eine rechtliche Grundlage für die Umsetzung der Empfehlung der Kommission, Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (KWSB) geschaffen. Dies ist wichtig, um zu einer tragfähigen gesamtgesellschaftlichen Lösung zu kommen. Der Prozess muss weiter zügig umgesetzt werden. Dabei wird es nach den Worten von LVI-Geschäftsführer Wolfgang Wolf darauf ankommen, dass die Entlastungen für private und gewerbliche Verbraucher zum Ausgleich steigender Strompreise im Gesetz verbindlich geregelt werden.
Wenn auch der Gesetzentwurf an vielen Stellen den Empfehlungen der Kohlekommission folgt, bleibt er hinsichtlich der Frage einer Entlastung für private und gewerbliche Verbraucher zum Ausgleich steigender Strompreise an dieser Stelle deutlich hinter den Empfehlungen zurück. Mit einer „Kann-Bestimmung“ in § 24 a des Energiewirtschaftsgesetzes öffnet er nur die Möglichkeit, Übertragungsnetzentgelte durch Bundeszuschüsse abzusenken, sichert diese aber nicht verbindlich zu. Auch die Entlastung der stromintensiven Betriebe im Rahmen einer Förderrichtlinie wird im § 49 Abs. 5 des Gesetzes zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung als eine Kann-Bestimmung erfasst. Ein solches Vorgehen der Bundesregierung gefährdet die Planungssicherheit und ist nicht geeignet, Nachteile in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und soziale Belastungen verlässlich auszugleichen. Ohne diese gesicherte Entlastung ist eine zentrale Voraussetzung für den Kohlekompromiss nicht gegeben.
Zur Umsetzung des im Referentenentwurf genannten Bundeszuschusses zu den Übertragungsnetzentgelten hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein rechtswissenschaftliches Kurzgutachten durchgeführt. Darin wurden neben den energie- und beihilferechtlichen Fragen auch mögliche Auswirkungen des Instruments auf die heutige Netzentgeltsystematik geprüft. Dabei kommen die Gutachten vom Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e. V. (IKEM) zu einem positiven Ergebnis bzgl. der energie- und beihilferechtlichen Umsetzung und zeigen, wie die konkrete Ausgestaltung des Entlastungsinstruments aussehen könnte.
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Kohlekompromisses war, dass die Bundesregierung bei der EU-Kommission dafür eintritt, dass diese die ETS-Strompreiskompensation bis 2030 verlängert, die Beihilfeintensität stabilisiert und dauerhaft absichert.
Kritisch zu sehen ist die regulatorische Benachteiligung der industriellen KWK-Anlagen. Eigenerzeugung bleibt im KWK-Gesetz weitgehend ausgeschlossen. Die Kohleersatzbonusregelung muss auf die industrielle Eigenerzeugung ausgeweitet werden, wie es im Abschlussbericht der KWSB gefordert war. Dabei sind angemessene Übergangsregeln unverzichtbar für KWK-Projekte im fortgeschrittenen Planungsstadium.
Schließlich gilt es auch, den Ausschreibungszeitraum für Steinkohlekraftwerke bis 2030 zu verlängern. Der hier festgelegte Beginn der gesetzlichen Reduktion bereits im Jahr 2027 bzw. bei Unterzeichnung der Auktionen 2024 samt unzureichender Entschädigungsregelungen, weicht ebenfalls stark von den Empfehlungen der Kommission ab. Diese hat Ausschreibungen für Steinkohlekraftwerke bis 2030 empfohlen. Eine entschädigungslose gesetzliche Reduktion, insbesondere für jüngere Steinkohleanlagen, die Anfang der 2030er Jahre noch keine 20 Jahre in Betrieb sind, untergräbt ebenfalls die Investitionssicherheit am Standort Deutschland und sendet ein völlig falsches Signal nicht nur an Deutsche, sondern auch an die in Deutschland agierenden ausländischen Marktteilnehmer.
In diesem Zusammenhang verweisen wir zudem auf eine Verlautbarung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, die in dem vorliegenden Entwurf des Kohleausstiegsgesetz es auf der einen Seite begrüßt, dass Klarheit über die konkret geplanten Bedingungen des Kohleausstiegs geschaffen wird, die gleichzeitig an verschiedenen Punkten noch dringenden Anpassungsbedarf sieht. Dies bezieht sich insbesondere auf eine faire regionale Lastenteilung. Betreiber moderner süddeutscher Steinkohlekraftwerke haben durch die Befristung des Ausschreibungszeitraums auf 2026, den Ausschluss von der ersten Auktionierungsrunde sowie den Aufschlag eines „Netzfaktors“ auf die Gebote faktisch keine Chance auf Zuschläge im Ausschreibungsverfahren. Hiermit bleibe den Betreibern in Süddeutschland nur die Option bestehende Anlagen über den Kohleersatzbonus im KWKG auf klimafreundlichere Brennstoffe umzustellen. Hierzu reichen aber die vorhandenen Fördersätze bei Weitem nicht aus, um ausreichende Investitionsanreize zu schaffen. Zudem ist der grundsätzlich zu begrüßende Südbonus zu kurz befristet, um im Süden bis dahin eine ausreichende Gasverfügbarkeit für die Umrüstung bestehender Kraftwerke zu gewährleisten. Auch aus Gründen des Klimaschutzes wird deshalb zurecht eine Rückkehr zu den Ausstiegsempfehlungen der Kohlekommission gefordert.
Schließlich verweisen wir an dieser Stelle noch einmal auf das am 20. Dezember 2019 in Kraft getretene Brennstoffemissionshandelsgesetz. Dieser weitere Bestandteil des Klimapakets der Bundesregierung dient ebenfalls der Erreichung der bundesdeutschen Treibhausgas-Minderungsziele (- 38 % bis 2030 gegenüber 2005). Über das Gesetz wird eine CO2-Bepreisung für die Sektoren Wärme und Verkehr eingeführt.
Gemäß der Einigung im Vermittlungsausschuss ist eine deutliche Erhöhung des CO2-Einstiegspreises auf 25 Euro je Tonne im Jahr 2021 vorgesehen, die dann zunächst bis 2025 jährlich um 5 bzw. 10 Euro bis auf 55 Euro steigen sollen. Bei der Einführung eines nationalen Emissionshandels für Brennstoffe und der damit verbundenen CO2-Bepreisung kommt es nunmehr darauf an, dass vor allem mittelständische Unternehmen nicht durch Zusatzbelastungen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gefährdet werden. Dies hatte der LVI, auch im Schulterschluss mit dem BDI und anderen Wirtschaftsorganisationen, immer wieder gegenüber den politischen Entscheidungsträgern deutlich gemacht. Wesentliche Punkte sind dabei die Festschreibung einer umfassenden finanziellen ex ante Carbon-Leakage-Maßnahme für die Industrie- und KWK-Anlagen, die heute nicht vom EU-ETS erfasst sind; die ex ante Befreiung der EU-ETS-Analgen vom nationalen Brennstoffemissionshandel sowie die Befreiung synthetischer und biogener Kraft- und Heizstoffe von der CO2-Bepreisung.
Momentan ist die Kostenweitergabe an Letztverbraucher, Regelung des Versteigerungsverfahrens, die Festlegung von jährlichen Emissionsmengen, Vermeidung von (Doppel-)Belastungen aus EU-ETS und Non-EU-ETS-Industrieanlagen bzw. die Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage im Detail unklar. Die Bundesregierung wird daher im Rahmen des BEHG ermächtigt, rund 14 Rechtsverordnungen zu erlassen. Diese sind jedoch nicht zustimmungspflichtig durch den Bundesrat. Hier bauen wir auf die Beratungsergebnisse des Vermittlungsausschusses, die eine Protokollerklärung mit der Zusage der Bundesregierung enthalten, dass sie „schnellstmöglich die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage und zum Erhalt der EU-weiten und internationalen Wettbewerbsfähigkeit betroffener Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung kleiner und mittlerer Unternehmen mit Rückwirkung zum 01.01.2021 regeln wird“.
Vor diesem Hintergrund erwarten wir im weiteren Verfahren, das wir eng begleiten werden, eine praxistaugliche und EU-konforme Lösung, die den Belangen der betroffene Unternehmen Rechnung trägt, so Wolfgang Wolf abschließend.
Stuttgart, 28. Februar 2020