Die baden-württembergische Wirtschaft geht mit der Politik der Großen Koalition hart ins Gericht. „Statt auf wachstumsfördernde Investitionen zu setzen, wird in erster Linie nur umverteilt“, kritisierte Landes-Arbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger am Mittwoch auf dem gemeinsamen Unternehmertag der Arbeitgeber Baden-Württemberg und des Landesverbandes der Baden-Württembergischen Industrie (LVI). „Unsere Regierung ist gerade dabei, die durch die Agenda-Reformen erzielten Wettbewerbsvorsprünge wieder zu verspielen. Gleichzeitig sorgt sie mit ihren Streitereien am Rande des koalitionspolitischen Abgrunds für höchste Verunsicherung bei den Bürgern und den Unternehmen“, sagte Dulger, der seit heute auch Vorsitzender des von Arbeitgebern Baden-Württemberg und LVI gemeinsam gegründeten Vereins „Unternehmer Baden-Württemberg“ ist (siehe auch separate Pressemitteilung).
Die Regierung müsse jetzt dringend wieder zu einer vernünftigen Sacharbeit zurückkehren, forderte Dulger. Gleichzeitig dürfe sie sich aber nicht darauf beschränken, einfach nur den unambitionierten Koalitionsvertag abzuarbeiten. „In der praktischen Regierungsarbeit müssen jetzt viel stärker auch die Interessen der Wirtschaft berücksichtigt werden“, sagte er. Entscheidend werde dabei auch sein, den Anstieg der Lohnnebenkosten zu bremsen. „Die Groko muss deshalb unbedingt von ihren teuren rentenpolitischen Vorhaben ablassen“, verlangte der Wirtschaftsvertreter. „Sie darf jetzt keine Fakten schaffen, bevor die von ihr selbst eingesetzte Rentenkommission ein schlüssiges Konzept für ein bezahlbares, generationengerechtes und nachhaltiges Rentensystem vorgelegt hat.“
Die Regierung müsse nun den Blick nach vorne richten und die Weichen für zukünftiges Wachstum richtig stellen, sagte Dulger: „So muss die Bundesregierung dringend die Flexibilisierung unseres veralteten Arbeitszeitrechts angehen, um neue Arbeitszeitmodelle im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft zu ermöglichen.“ Modernen flexiblen Arbeitszeitmodellen würden heute etwa durch die tägliche Höchstarbeitsgrenze von acht beziehungsweise zehn Stunden zu enge Grenzen gezogen. Dasselbe gelte für die gesetzliche elfstündige Ruhezeit zwischen Arbeitsende und Arbeitsbeginn. „Die vereinbarte Gesamtarbeitszeit muss künftig flexibler und bedarfsgerechter eingesetzt werden können“, verlangte er. „Das ist im Interesse der Unternehmen – und der Arbeitnehmer. Und es würde dem europäischen Recht entsprechen.“
Deutschland müsse sich zudem dringend dem internationalen Steuerwettbewerb stellen, betonte LVI-Vizepräsident Heinrich Baumann im Rahmen einer Podiumsdiskussion: „Leider fehlt der Koalition trotz guter Kassenlage der Mut zu spürbaren Entlastungen und Strukturreformen.“ Auf Dauer könne sich Deutschland keine höhere Steuerbelastung als in anderen Industrienationen leisten, ohne die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu gefährden. Hier werde einmal mehr die gefährliche Erwartungshaltung von Politik und Gesellschaft deutlich, „eine gute wirtschaftliche Entwicklung und den damit verbundenen Wohlstand als selbstverständlich zu erachten. Das sind sie nicht. Unsere Unternehmen arbeiten tagtäglich daran, aber sie brauchen die entsprechenden Rahmenbedingungen“, hob Baumann hervor.
Er erklärte zudem, dass ihm die demographische Entwicklung in Deutschland, bzw. der Umgang damit, große Sorgen bereite: „Ich kann gegenwärtig nicht erkennen, dass unsere Politik die Sozialhaushalte angemessen vorbereitet“, kritisierte Baumann, den insbesondere der Umstand beschäftige, dass die geburtenstarken Jahrgänge aus den 60er Jahren „im Grunde übermorgen in Rente gehen.“
Abschließend nahm er die Bundesregierung in die Pflicht, bei den gegenwärtigen internationalen Handelskonflikten „Dampf herauszunehmen“: „Deutschland ist in hohem Maße gefordert, seiner Verantwortung in der Europäischen Union gerecht zu werden und im Sinne der hiesigen Wirtschaft auf eine Deeskalation hinzuwirken“, so Baumann. Er wünsche sich eine Gegenbewegung hin zu niedrigeren Zöllen, „die aus meiner Sicht gern von Europa ausgehen darf.“
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