Industrie setzt auf schnelle Umsetzung und punktuelle Nachbesserungen des Konjunkturpakets
LVI: „Von einer Überwindung der Krise kann noch keine Rede sein“
Stuttgart, 05.08.2020 – „Angesichts der nun veröffentlichten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt dürfte auch dem Letzten klar sein, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise noch gravierender sind als jene, die wir in der Finanz- und Wirtschaftskrise erleben mussten“, erklärte der Präsident des Landesverbands der Baden-Württembergischen Industrie (LVI), Heinrich Baumann, anlässlich der Vorstellung der jüngsten „LVI-Standpunkte“ in Stuttgart. Im zweiten Quartal 2020 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt zum Vorquartal um gut 10 Prozent, zum Vorjahresquartal um 11,7 Prozent. „Auch wenn die genauen Zahlen erst Ende August bekannt gegeben werden, ist schon jetzt unstrittig, dass wir die schwerste Krise seit Kriegsende erleben“, äußerte sich der LVI-Präsident besorgt. Die vorsichtige Stabilisierung der letzten Wochen mache zwar Mut, doch könne von einer Überwindung der Krise keine Rede sein.
Nicht nur aus Sicht des LVI sei es erfreulich, dass sich die baden-württembergischen Auftragswerte und Umsatzzahlen zunehmend denen des Vorjahres annähern, wie das Statistische Landesamt jüngst berichtete. Dabei sei natürlich zu berücksichtigen, so Baumann, dass nicht nur die aktuellen Zahlen bei den Ordereingängen wie auch bei den Umsätzen nach wie vor unter denen des Vorjahres lägen, sondern dass vor allem die kumulierten Halbjahreswerte die Tiefe der Einschnitte verdeutlichten.
Ungeachtet dessen spiegle sich die langsame Stabilisierung der Auftrags- und Umsatzzahlen, so Baumann mit Blick auf die aktuellen LVI-Standpunkte, in der Stimmung in der Südwestindustrie wider. Ein Fünftel der Unternehmen sei mit der aktuellen Geschäftslage zufriedener als in den Vorwochen, „doch angesichts der Pandemie-Entwicklung, auch in den wichtigen Absatzmärkten, sowie der sich verhärtenden Beziehungen zwischen westlichen Staaten und China blicken viele Unternehmen mit Skepsis in die Zukunft“, mahnte der LVI-Präsident und warnte zudem: „Im Herbst könnte eine Welle von Insolvenzen folgen, wenn die Soforthilfen verpufft und Bankdarlehen Mangelware sind.“
In dieser Gemengelage sei es essenziell, die Eckpfeiler, die unser Land bisher vor schlimmeren Ausmaßen bewahrten, zu festigen. Diese gelte insbesondere für die Vermeidung einer zweiten Infektionswelle in Europa sowie für die Sicherung von Warenverkehrsströmen und Lieferketten. Zudem sei es von grundlegender Bedeutung, „dass das Konjunkturpaket spürbar in der Wirtschaft ankommt“, so Baumann. Vor allem der Ausbau der digitalen Infrastruktur, die Sanierung von Gebäuden, der Straßenbau und das Vorziehen kommunaler Infrastrukturprojekte könnten die heimische Wirtschaft stabilisieren. „Denn eines dürfen wir nicht vergessen: Wenn die Steuereinnahmen weiter sinken, werden die Staatshilfen nicht üppiger ausfallen“, machte der LVI-Präsident deutlich.
In der nächsten Zeit komme es darauf an, die Erholungsphase, die gegenwärtig für 2024 erwartet wird, schneller zu erreichen als prognostiziert. Deshalb müsse jede Maßnahme im Konjunkturpaket des Bundes überprüft und bei Bedarf nachgebessert oder auf Landesebene ergänzt werden – einige konkrete Ansätze enthält die Bewertung des Konjunkturpakets in den aktuellen LVI-Standpunkten. „In dieser beispiellosen Krise“, so der Appell des LVI-Präsidenten an die politisch Handelnden, „können wir leider nicht auf Bewährtes zurückgreifen. Wir müssen innovative Wege finden, um sowohl die jetzigen Herausforderungen zu meistern als auch grundlegende strukturelle Reformen vorzubereiten. Dazu gehören Mut und eine proaktive Politik, die Rahmenbedingungen auch für die lange Frist setzt!“
Abschließend betonte Heinrich Baumann, dass der sanfte Aufwind der Wirtschaft nur Bestand haben und auffrischen könne, „wenn alle Handelnden ihrer Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen gerecht werden, indem sie ihren Teil dazu beitragen, eine ‚zweite Welle‘ mit erneuten gravierenden Einschränkungen des Wirtschaftsgeschehens zu verhindern.“
Nähere Informationen enthalten die LVI-Standpunkte 1/2020.