Kernbotschaften zur Bundestagswahl
Gerade in den anhaltenden „guten Zeiten“ gilt es industrie- und standortpolitische Weichen zu stellen, die der Industrie die Möglichkeit geben, im internationalen Vergleich weiterhin voranzugehen. Der LVI hat aus den vom BDI vor der Bundestagswahl erarbeiteten Handlungsempfehlungen einige Aspekte herausgegriffen und erwartet von der künftigen Bundesregierung konkrete Konzepte insbesondere zu den Kernthemen der Industrie, um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Standorts beizubehalten und zu fördern. Einige Punkte werden nachfolgend kurz angerissen:
Die flächendeckende bedarfsgerechte Verfügbarkeit konvergenter, gigabitfähiger Infrastrukturen ist unabdingbar, viele Anwendungen für Industrie 4.0, Smart Health oder Smart Mobility sind auf hohe Zuverlässigkeit und Qualität angewiesen. Im Festnetz werden Glasfaser- sowie entsprechend leistungsfähige Anschlüsse Elemente eines „Gigabit-Technologiemixes“ sein, im Mobilfunk setzt man große Hoffnungen in die Netze der 5. Generation (5G). Umso besorgniserregender ist es, dass Deutschland bei der Verbindungsgeschwindigkeit im internationalen Vergleich lediglich einen Platz im Mittelfeld belegt, und auch Baden-Württemberg hat noch einen weiten Weg vor sich. Ebenfalls beunruhigend ist, dass die Breitbandversorgung im ländlichen Raum deutlich hinterherhinkt.
Anreize für Forschung und Entwicklung (FuE) sind der Schlüssel für dauerhaften Innovationserfolg. Digitalisierung und Globalisierung lassen den Innovationsdruck erheblich ansteigen. Baden-Württemberg als eines der führenden Innovationszentren Europas ist auf steigende – private und öffentliche – FuE-Investitionen in Infrastrukturen und zukunftsweisende Innovationsfelder angewiesen. Es wird Zeit für die Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung in Form einer Steuergutschrift zusätzlich zur bestehenden FuE-Projektförderung. Dieses Instrument wird europa- und weltweit erfolgreich genutzt und von OECD und Europäischer Kommission sogar empfohlen.
Angesichts einer weiter steigenden Transportnachfrage für Güter und stetig wachsender Mobilitätsbedürfnisse muss es gelingen, Mobilität nachhaltig und emissionsarm zu gestalten. Die Industrie forciert die Elektrifizierung des Antriebsstrangs, forscht an alternativen Antrieben und Kraftstoffen. Die Klimaziele 2030 sind indes nur mit Brückentechnologien wie Diesel, Hybrid, nachhaltigen Biokraftstoffen und Erdgas erreichbar. Unser Standort ist auf zuverlässige und effiziente Logistikketten angewiesen. Logistik funktioniert am besten auf hochwertigen und effizient genutzten Infrastrukturen, beispielsweise unter Verwendung von Lang-Lkw oder langen Güterzügen. Rund 50 Prozent der Brücken an Bundesfernstraßen werden mit maximal „ausreichend“ bewertet; der Nachholbedarf bei der baden-württembergischen Straßeninfrastruktur ist sowohl in puncto Sanierung als auch in Sachen Neu- und Ausbau enorm.
Die Energiewende bedarf einer ehrlichen und transparenten Betrachtung. Dies gilt auch hinsichtlich der Folgewirkungen politischen Handels. Hierzu gehört etwa die aktuelle EEG-Finanzierung über eine Umlage auf den Strompreis, die bei vielen Unternehmen zu sehr hohen finanziellen Belastungen führt. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industriestrompreise leidet zudem darunter, dass in Deutschland mit Abstand die höchsten politischen Sonderlasten auf Industriestrom bestehen. Die hohen Kosten sind auch mittelbar für die Energiewende schädlich, da Strom damit zu teuer ist für die gewünschte Nutzung im Verkehr und in Gebäuden („Sektorkopplung“). Daneben wird es ohne einen zügigen Netzausbau nicht möglich sein, Windstrom vom Norden Deutschlands in die Lastzentren im Süden zu transportieren. Bei der Gestaltung eines zukünftigen Marktdesigns ist es wichtig, dass Wettbewerb vor Regulierung geht. Die Transformation im Energiesektor bedarf zudem eines iterativen und evolutionären Prozesses, der behutsam und flexibel gehandhabt wird.
Der Europäische Gedanke ist ein Garant für Frieden, Wohlstand und Arbeitsplätze. Die Wirtschafts- und Währungsunion als Kernelement des Europäischen Gedankens muss institutionell gestärkt werden. Nur durch die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Währungsunion gegenüber Schocks und die Stärkung der Mechanismen zur Prävention und Bewältigung von Finanzkrisen kann dies gelingen. Im Sinne eines besseren Krisenmanagements fordert der LVI, eine vollständige Europäische Bankenunion zu schaffen sowie den Europäischen Stabilitätsmechanismus und seine Handlungsmöglichkeiten zu stärken. Dazu sollte ein Europäischer Währungsfonds geschaffen werden. In diesem Zug sollten zudem die Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung des Europäischen Währungsfonds, der europäischen Institutionen, der Gremien der Bankenunion und der Europäischen Zentralbank geregelt werden.
Die zunehmend vernetzte Weltwirtschaft braucht verlässliche Regelungen für globale Handels- und Investitionsströme. Mit Freihandelsabkommen ist es möglich, Handelsregeln zu schaffen, die das multilaterale Handelssystem der WTO maßgeschneidert ergänzen. Zugleich werden dem wachsenden Protektionismus stabile internationale Partnerschaften entgegengesetzt und europäische Werte und Standards eingebracht. Nicht zu vergessen ist zudem die Rolle globaler Wertschöpfungsketten in der industriellen Produktion, in die kleine und mittlere Unternehmen als Zulieferer eingebunden sind. Sie sind auf eine möglichst freie Gestaltung ihrer Wertschöpfungsketten und einen Zugang zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten in den Zielländern angewiesen.
Steuerpolitik ist Standortpolitik. Seit der Steuerreform 2008 gab es keine nennenswerten Entlastungen für Unternehmen oder strukturelle Verbesserungen bzw. Anpassungen, stattdessen zahlreiche Mehrbelastungen – erneute Diskussionen über eine insbesondere den Mittelstand belastende Vermögensteuer passen ins Bild. Zudem müssen hiesige Unternehmen mit einer internationalen Ausrichtung rund 20 Prozent höhere Steuerbelastungen tragen als rein national tätige. In diesem Umfeld bedarf es umso dringender einer Unternehmensteuerreform, die durch grundlegende strukturelle Verbesserungen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhöht. Zugleich muss das Steuerrecht die Herausforderungen der Digitalisierung annehmen sowie Forschung und Entwicklung fördern.
Viele dieser Empfehlungen finden sich zudem in noch etwas detaillierterer Form in den BDI-Handlungsempfehlungen zur 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages: Für eine starke Industrie, die auch morgen Zukunft gestaltet