Energiewende ist kein Selbstläufer –
Zügiges und konsequentes Handeln erforderlich
Stuttgart, 28. Mai 2018 – „Energiewende – Jahrhundert-Herausforderung für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik“ lautet das Motto des diesjährigen Energietages, den der LVI am 28. Mai gemeinsam mit mehreren Kooperationspartnern bei der Siemens AG in Karlsruhe durchführte. Hochrangige Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft beleuchten das Thema Energiewende aus verschiedenen Blickwinkeln heraus. Dabei sollen die Herausforderungen, Chancen wie Risiken ebenso aufgezeigt werden, wie die notwendigen Impulse, um den Wirtschaftsstandort Deutschland/Baden-Württemberg international wettbewerbsfähig zu halten und seine Rolle als wesentlicher Leitmarkt für innovative und ressourceneffiziente Technologien weiter zu stärken.
Die Bewältigung des Klimawandels im regionalen, nationalen, europäischen bis zum internationalen Kontext und damit verbunden das „Stemmen“ der Energie- und Mobilitätswende haben hohe Priorität, so LVI-Präsident Heinrich Baumann. Die Industrie übernimmt Verantwortung und leistet mit ihren zahlreichen Unternehmen und den weitgehend geschlossenen Wertschöpfungsketten einen wesentlichen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere zur Treibhausgasreduktion. Wir unterstützen den Aufbau eines klimaverträglichen, sicheren und bezahlbaren Energiesystems. Hierfür brauchen wir jedoch den notwendigen Raum bzw. Rahmen für Wachstum und eine „technologieoffene“ Betrachtung, um Innovationen weiter voranzutreiben. Die Energiewende kann nur gelingen und bei den Menschen ankommen, wenn Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und weitere relevante gesellschaftliche Gruppierungen eng kooperieren betonte der LVI-Präsident. Sie ist nicht kostenfrei und kann nur im gemeinsamen Schulterschluss von Industrie, Gewerbe, Dienstleistung und Privatpersonen gelingen, wenn gleichzeitig verlässliche – international konkurrenzfähige – marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, regulatorische Hemmnisse beseitigt werden und die Umsetzung des energiepolitischen Zieldreiecks mit einem stringenten Monitoring begleitet wird.“
Zur Erreichung der Klimaziele bedarf es in allen Sektoren weiterer politischer Impulse, z. B. beim Ausbau der Stromnetze oder bei Speichertechnologien. Die hieraus erwachsenden Zusatzkosten gilt es so zu verteilen, dass auch die deutsche Industrie in ihrer gesamten Wertschöpfungskette – seien es besonders energieintensive Branchen, seien es weniger energieintensive – wettbewerbsfähig bleiben kann. Die Leistungskraft unserer Industrie als wesentliche Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung darf nicht gefährdet werden, hob Heinrich Baumann abschließend hervor.
Für die Bundesregierung machte der parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Thomas Bareiß, MdB, deutlich:
„Ein starker Wirtschaftsstandort Deutschland und eine erfolgreiche Energiewende: Aus meiner Sicht ist beides möglich. Bezahlbare Energie und eine sichere Versorgung sind für die Bundesregierung zentral, wenn es um die Frage geht, unsere Klimaziele zu erreichen. Dafür brauchen wir vor allem Akzeptanz auf allen Ebenen.“
Von Landesseite betonte Ministerialdirektor Helmfried Meinel, Amtschef des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg:
„Für die Erreichung der Klimaschutzziele brauchen wir eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in allen Sektoren. Dazu benötigen wir einen neuen Schwung beim Ausbau der erneuerbaren Energien und einen beschleunigten Netzausbau sowie Instrumente mit ausreichender Lenkungswirkung, um die Dekarbonisierung der Wärme- und Verkehrssektoren zu erreichen. Eine durch eine CO2-Bepreisung gegenfinanzierte Reform der staatlich induzierten Strompreisbestandteile zur Senkung der Strompreise sowie verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in gesicherte Leistung sind für die Bezahlbarkeit und die Versorgungssicherheit unerlässlich.“
Auch die weiteren hochkarätigen Protagonisten des Energietages spiegeln die Herausforderungen des energiepolitischen Zieldreiecks aus Klimaverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit (bezahlbare/wettbewerbsfähige Preise) wider:
Joachim Kugler, Co-Vorsitzender des LVI-Ausschusses Energie und Umwelt sowie Sprecher der Siemens-Niederlassung Karlsruhe
„Die Energiewende ist an einem Wendepunkt und muss klug weiterentwickelt werden. Siemens geht mit gutem Beispiel voran und wird bis 2030 weltweit klimaneutral sein. Wir haben uns als Land für den Ausstieg aus Kern- und Kohleenergie und für regenerative Energien entschieden. Jetzt sind umfassende Investitionen in den Netzausbau und Speichertechnologien erforderlich. Die Gasinfrastruktur und Power-to-X-Technologien können den entscheidenden Schlüssel für das Gelingen der Sektorkopplung liefern. Strom als zunehmend saubere Energie muss durch eine Reform der Umlagen günstiger werden, auch für die Industrie in ihrer ganzen Breite. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten in einem gegen Cyberbedrohungen abgesicherten, bis in die Cloud vernetzten Energiesystem. Energieverbraucher werden darin wichtige Akteure: Neue Geschäftsmodelle und die soziale Teilnahme geben der Energiewende ein persönliches Gesicht. Wir alle wollen technischen Fortschritt wie Digitalisierung oder 5G. Hierfür benötigen wir elektrische Energie. Nur wenn wir alle bereit sind, unsere Komfort-Zone zu verlassen, wird die Energiewende gelingen. Wir haben nur einen Planeten, den es zu bewahren gilt.“
Dr. Philipp Gerbert, Senior Partner und Managing Director bei der Boston Consulting Group und Dr. Jens Burchardt, Principal bei der Boston Consulting Group
„Die vollständige Dekarbonisierung Deutschlands in den nächsten 30 Jahren ist die größte Transformation, die unser Land in Friedenszeiten je unternommen hat. Aus wirtschaftlicher Sicht ist diese Transformation – wenn sie richtig gemacht wird – netto eine Chance, da sie mit hohen Investitionen Wachstumsimpulse setzt und die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen reduziert. Der Staat ist gefordert ambitioniert und informiert voranzuschreiten, um die systemisch richtigen Anreize zu setzen. Betroffene Unternehmen müssen sich auf eine zunehmende Beschleunigung der Veränderungen vorbereiten – in Deutschland wie auch global.“
Peter Franke, Vizepräsident der Bundesnetzagentur
„Die Energiewende braucht ein verlässliches und gut ausgebautes Stromnetz. Jeder fertiggestellte Leitungskilometer ist wichtig für die Umsetzung der Energiewende und für die Versorgungssicherheit in Deutschland. Der Netzausbau muss insgesamt aufholen, um mit dem bisherigen Ausbau der Erneuerbaren Energien Schritt zu halten. Er darf nicht zum Nadelöhr der Energiewende werden.“
Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE)
„Deutschland geht einen energiepolitischen Sonderweg. Neben dem Ausstieg aus der Kernenergie wird der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in einem Ausmaß wie in keinem anderen Land der Erde gefördert. Das reine Subventionsvolumen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beträgt mittlerweile pro Jahr mehr als 25 Mrd. Euro, Hinzu kommen Kosten u. a. für Netzausbau, erhöhten Ausgleichsenergiebedarf, Offshore-Haftungsumlagen, Investitionsförderungen. Damit die Energiewende international Vorbildcharakter entfalten kann und nicht als teurer Irrweg bezeichnet werden muss, sind die Anforderungen an Klimaschutz, Preisgünstigkeit und Versorgungssicherheit ernster zu nehmen. Der CO2-Ausstoß ist in Deutschland aufgrund der mangelnden Kopplung des EEG mit dem EU-Emissionshandelssystem in den letzten 10 Jahren nicht gesunken. Für die Ziele Preisgünstigkeit und Versorgungssicherheit fehlen nahezu jegliche Zielvorgaben, sodass diese Ziele in der Politik weitgehend ignoriert werden.“
Ralf Christian, CEO der ehemaligen Division Energy Management der Siemens AG
lobte die internationale Vorreiter-Rolle Baden-Württembergs beim Ausbau einer klimaverträglichen Energieversorgung und die Technologieoffenheit etwa für neue Windkraftanlagen, Freiflächen-PV, moderne Gaskraftwerke oder die Wasserstofftechnologien.
Dr. Hans-Josef Zimmer, Mitglied des Vorstands (CTO) der EnBW AG
„Die Energiewende ist stark von einer technologischen Umstellung des gesamten Energieversorgungssystem geprägt – weg von einer zentralen konventionellen Erzeugung hin zu regenerativer und dezentraler Erzeugung. Die EnBW hat bereits 2013 mit einem tiefgreifenden Unternehmensumbau auf diese grundlegenden Veränderungen reagiert. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze stehen dabei im Fokus. Mit Blick auf den Kohleausstieg begrüßen wir, dass die Kommission ein Gesamtkonzept für einen umfassenden Strukturwandel entwickelt hat. Nun gilt es, die Empfehlungen in einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen zu überführen, der allen Akteuren Planungssicherheit gibt und im Einklang mit den Klimaschutzzielen steht – ohne dabei die Versorgungssicherheit zu gefährden.“