LVI: Konjunkturrisiko Protektionismus
Der Rückenwind hält noch immer an
Stuttgart, 26. April 2018 – „Nach einem erfreulichen Jahresabschluss 2017 ist die hiesige Industrie auch mit Rückenwind in das neue Jahr gestartet.“ So fasste LVI-Vizepräsident Thorsten Klapproth die aktuelle konjunkturelle Situation anlässlich der Vorlage der jüngsten Ausgabe der LVI-Standpunkte knapp zusammen und ergänzte, dass sich die deutsche Wirtschaft somit in ihrem sechsten Aufschwungjahr befinde. Zwar habe man von günstigen Rahmenbedingungen wie niedrigen Zinsen und Öl- bzw. sonstigen Rohstoffpreisen, dem schwachen Euro oder flüchtlingsbedingten Sonderausgaben profitiert, doch selbst vor diesem Hintergrund sei die Dauer der Boomphase außergewöhnlich. „Nichts läge uns ferner, als eine Eintrübung herbeizureden“, so Klapproth weiter, „doch natürlich wappnen sich die Unternehmen seit geraumer Zeit für etwas weniger volle Auftragsbücher – die Risiken sind in den letzten Monaten nicht weniger geworden, auch und gerade mit Blick auf den Welthandel.“
Allen Unsicherheiten zum Trotz sei die Stimmung in der baden-württembergischen Industrie über verschiedenste Branchen hinweg weiterhin gut. Schließlich verzeichneten Nachfrage und Umsatz auch zu Jahresbeginn gute Wachstumsraten und der anhaltende Beschäftigungsausbau sowie Lohnzuwächse oberhalb der Inflationsrate dürften dazu beitragen, die private Kaufkraft und den Konsum zu stärken. Daher seien nun Impulse aus der Binnenwirtschaft zu erwarten.
Für eine etwas zurückhaltendere Bewertung der Stimmung sorgten vielmehr allgemeine weltpolitische Faktoren (Brexit, Unsicherheitsfaktor USA, protektionistische Tendenzen). „Gleichzeitig“, so der LVI-Vizepräsident, „ist die neue Bundesregierung gefordert, kraftvoll ihre Aufgaben und damit insbesondere die Verbesserung der Rahmenbedingungen anzugehen.“ Um Investitionen anzukurbeln, müsse die Bundesregierung dringend strukturelle Reformen des Unternehmensteuerrechts anpacken und eine steuerliche Forschungsförderung einführen, wie sie sich international in 28 von 35 OECD-Mitgliedstaaten bereits bewährt hat. Dass zudem bei den großen Infrastrukturthemen im Bereich der Energie und beim Rahmen für die Digitalisierung nach wie vor einiges im Argen liege, betrachte er als gesellschaftsweiten Konsens.
Thorsten Klapproth unterstrich in der Folge die enorme Bedeutung offener Märkte und einheitlicher Regeln in Europa sowie im weltweiten Handel für den wirtschaftlichen Erfolg unserer Unternehmen in Deutschland und Baden-Württemberg: „Jeder vierte Arbeitsplatz hängt hierzulande am Export, in der Industrie ist es sogar mehr als jeder zweite. Umso besorgniserregender sind aufkommende Abschottungs- und Protektionismustendenzen, die den freien weltweiten Handel gefährden.“ Gerade Deutschland als drittgrößte Handelsnation und das bekannt exportabhängige Baden-Württemberg würden von globalen Entwicklungen wie dem Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie dem bevorstehenden Ausstieg Großbritanniens aus der EU in besonderem Maße bedroht. Es sei fast ein „Treppenwitz“, dass im Verhältnis zu langjährigen engen Partnern aus dem Vereinigten Königreich derzeit keinerlei Planbarkeit über 2020 hinaus gegeben sei.
„Der freie Handel ist angesichts unserer weltweiten Wertschöpfungsverbünde ein Grundpfeiler unseres Wohlstandes in Baden-Württemberg“, betonte der LVI-Vizepräsident und fuhr fort: „Umso wichtiger ist es, dass die globalen und insbesondere transatlantischen Handelsbeziehungen nicht künstlich erschwert werden.“ Eine Stärkung der globalen Handelsordnung und multilaterale Fortschritte im Rahmen der WTO seien daher unabdingbar für die Förderung des freien Handels, und auf jeden Fall sollten offene Handelskonflikte vermieden werden.
Vor diesem Hintergrund appelliert der LVI an Bundesregierung und EU-Administration, nicht nur neue Handelsbarrieren zu verhindern oder möglichst niedrig zu halten, sondern vielmehr auch bestehende Barrieren abzubauen: „Anstatt beispielsweise US-Strafzöllen mit eigenen Kompensationszöllen zu begegnen, sollte sich die EU vielmehr deeskalierend und besonnen verhalten und dafür einsetzen, die bereits in Gang gesetzte Protektionismusspirale aufzuhalten und ins Gegenteil zu verkehren“, verdeutlichte Klapproth die Position des Verbandes. Die Stärkung des Dialogs mit den USA, China und anderen protektionistisch veranlagten Staaten sei hierbei von größter Relevanz.
Eingedenk all dieser Rahmendaten und angesichts der konjunkturellen Anzeichen schloss der LVI-Vizepräsident mit der Einschätzung, dass der LVI für 2018 eine weiterhin positive wirtschaftliche Entwicklung erwarte. Bundesweit rechne der Verband mit einem BIP-Wachstum von 2,2 Prozent, „und auch in Baden-Württemberg gehen wir wieder von einem Wachstum von über 2 Prozent aus!“
Nähere Informationen enthalten die LVI-Standpunkte 1/2018.