Am 26. Juni fand ein erneutes Gespräch mit Dr. Hans- Ulrich Rülke MdL und der FDP-Landtagsfraktion unter Leitung von LVI-Vizepräsident Thorsten Klapproth in Stuttgart statt. Im Mittelpunkt des Austauschs standen die Fahrverbote in Stuttgart und weitere Infrastrukturthemen, die Energiewende, Digitalisierung und die Oppositionsarbeit der FDP im Land.
Einigkeit bestand bei den Diskussionsteilnehmern in der Kritik an den von der Landesregierung ab Anfang 2019 beschlossenen Fahrverboten für Dieselfahrzeuge der EURO 4 – Norm und älter. Die Fahrverbote träfen nicht nur tausende von Autobesitzern und Pendlern schwer, sondern führten auch zu der Frage, die bei zahlreichen Unternehmen bereits zu erheblichen Verunsicherungen geführt habe, wie Angestellte ihre Arbeitsplätze erreichen, Unternehmen ihre Waren ausliefern und der öffentliche Nahverkehr dies kompensieren können solle. Auch zweifelten die Gesprächspartner an der Verhältnismäßigkeit der Fahrverbote, insbesondere hinsichtlich der Fahrzeuge der EURO 5 – Norm, die gerade einmal vier Jahre alt sein könnten.
Darüber hinaus sei bereits heute auch bei den Käufern eine erhebliche Verunsicherung auszumachen, die sich in der stark gefallenen Verkaufsquote von Dieselfahrzeugen widerspiegelt. Was in der Diskussion um Feinstaub offenbar vollkommen übersehen werde, sei die Frage des ebenfalls gefährlichen Stickstoffdioxidausstoßes, der bei den nun wesentlich stärker im Absatz befindlichen Benzinmotoren wesentlich ausgeprägter sei als bei Dieselmotoren und bei der Entwicklung hin zu wachsenden Verkaufszahlen von Benzinmotoren das nächste Problem „vorprogrammiert sei“. Schließlich sei auch die Infrastruktur für alternative Antriebsmöglichkeiten wie Elektrofahrzeuge noch nicht so weit, dass flächenmäßig E-Fahrzeuge gekauft werden könnten. Diese Infrastruktur herzustellen, sei dringende Aufgabe der Politik, gaben die LVI-Mitglieder aus Vorstand und Beirat der FDP mit auf den Weg.
Generell müsse den politischen Entscheidungsträgern im Land, im Bund und in erheblichem Maße auch in der EU wieder der „Zahn gezogen werden“, der industrielle Wohlstand sei ein „Selbstläufer“ und man müsse für diesen nichts tun. Die Industrie brauche im Hinblick auf die zahlreichen Herausforderungen wie der Digitalisierung, der Energiewende, dem internationalen Wettbewerb, den globalpolitischen Entwicklungen wie dem bevorstehenden Ausstieg Großbritanniens aus der EU, der Aufkündigung des Iran-Abkommens durch die USA sowie zahlreiche Protektionismus- und Abschottungstendenzen mehr denn je verlässliche und industriefreundliche Rahmenbedingungen im Land, im Bund und nicht zuletzt auch in der gesamten EU.
Im Bereich der Digitalisierung stimmten alle Gesprächsteilnehmer überein, dass der Beitrag der Politik auf Ebene der Rahmenbedingungen und Infrastruktur bleiben solle und grundsätzlich keine Einmischung in den Markt erfolgen dürfe. Sollten jedoch Markt und Wettbewerb nicht funktionieren, wie es insbesondere im ländlichen Raum oftmals zu beobachten ist, sei es durchaus Aufgabe des Staates, regulierend einzugreifen. Erneut kam von LVI-Seite der Vorschlag auf, Unternehmer mit einem geringen Zinssatz am Breitbandausbau zu beteiligen, um so das Kapital bereitstellen zu können, das in enormer Höhe benötigt werde, um eine flächendeckende Breitband- und Glasfaserversorgung realisieren zu können.
Digitalisierung sei jedoch nicht nur ein Infrastrukturthema, sondern zunehmend auch ein Bildungsthema, das die ganze Gesellschaft betreffe. Von der Heranführung an die Digitalisierung im Kindesalter bis hin zu auf die neuen Arbeitsanforderungen angepassten Studiengängen sowie Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter sei dies ein wichtiger Bereich für die Unternehmen, dessen Bedeutung nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels stetig zunehme. Künftig müssten Unternehmen im Zuge der Digitalisierung wesentlich stärker als bisher um die gleichen Fachkräfte konkurrieren.
Eine ebenfalls gesamtgesellschaftliche Herausforderung sei schließlich die Energiewende, die bisher eher als „Stromwende“ ausgestaltet sei und nur funktionieren könne, wenn es eine gesamteuropäische Strategie gebe. Die Versorgungssicherheit sie in diesem Themenkomplex ein wichtiger Faktor, bei dem alle Gesprächspartner eine große Gefahr sähen, wäre dieser nicht mehr gegeben. In diesem Zusammenhang verwiesen die LVI-Vertreter auch auf die vom Verband bis ins vergangene Jahr hinein durchgeführte Studie zur Versorgungssicherheit, deren Fortsetzung für dieses oder nächstes Jahr geplant sei, um so eine verlässliche Aussage über Langzeitentwicklungen treffen zu können. Einigkeit bestand darin, dass die Energiewende nur funktionieren könne, wenn die Versorgungssicherheit nicht gefährdet werde.
Auch erwähnten die LVI-Vertreter die BDI-Studie „Klimapfade für Deutschland“, deren Ziel es sei, volkswirtschaftlich kosteneffiziente Wege zur Erreichung der deutschen Emissionsminderungsziele aufzuzeigen. Die BDI-Studie zeige auch deutlich das bereits vorhandene, erhebliche Bestreben der deutschen Industrie auf, Energie einzusparen und so zu zeigen, dass industrielle Produktion sowie die dazugehörigen Produkte und Klimaschutz sehr gut miteinander harmonierten. So gehe die BDI-Studie davon aus, dass Treibhausgasemissionen bis 2050 mit 80 bis sogar 95 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 gesenkt werden könnten und die deutsche Industrie damit einen erheblichen Beitrag zu den von der EU gesteckten Zielen leisten könne.